Hypnobirthing Geburtsbericht: Über den ET – eine Geduldsprobe
Eine Geburt ist ein einzigartiges Erlebnis. Jede Geburt ist individuell und besonders. Wir möchten euch aufzeigen, wie Geburten sein können. Unperfekt, perfekt. Einfach so wie sie sind. Familien berichten ihr Erleben.
Text: Rebecca, VERTRAUENSVOLLE GEBURT Hypnobirthing Kursteilnehmerin der Gebärmütter, 2023
Ich war mir doch sicher, dass unser kleiner Mann ein bis zwei Wochen vor ET kommt. Naja, der Zug war ja bereits abgefahren. Die letzten Tage hörte ich immer wieder die Meditation zum Thema Geduld. Es fiel mir damit tatsächlich leichter, mit dem Warten umzugehen und mich nicht so verrückt zu machen. Ich sagte mir innerlich also immer wieder „ich werde natürlich entbinden, wenn mein Baby dazu bereit ist.“ Mal ging es ganz leicht von der Hand und ich habe mir voll und ganz vertraut. Manchmal kam aber ganz still wieder diese Angst vor einer möglichen Einleitung…
ET + 3 – Der Abend davor
Was kann man alles tun, um die Geburt natürlich einzuleiten? Am häufigsten findet man im Internet Sex. Also gut. Wir haben es uns abends also nochmal richtig gemütlich gemacht. Keine drei Stunden später, um 22:10 Uhr, kam die erste Welle. Wow, dachte ich. Hat es wirklich etwas gebracht? Da ich bereits seit sechs Wochen fast täglich Wehen hatte, blieb ich erstmal entspannt und versuchte zu schlafen. 22:21 Uhr – die zweite Welle. Ok. Geht es jetzt wirklich los? Ich wurde nervös. 22:30 Uhr – die dritte Welle. Ich war mir sicher, es geht los. Endlich. Ich machte mir nochmal die Hypnose zur Tiefenentspannung an und lauschte Katrin Michels Stimme. Währenddessen kommen und gehen einige Wellen. Ich stupse meinen Mann neben mir im Bett an und bitte ihn die restlichen Sachen für die Kliniktasche zu packen. Wir saßen zusammen im Wohnzimmer. Ich habe mich auf den Pezziball gesetzt und mein Becken gekreist. Die Wellen waren um 02:00 Uhr alle sieben Minuten ziemlich regelmäßig. Wir riefen meine Eltern an, damit sie auf unsere vierjährige Tochter aufpassten.
Es geht los – auf in die Klinik
Unterwegs im Auto kamen die Wellen weiterhin alle sieben Minuten. Wir waren ziemlich aufgeregt. Da wir 25 Minuten in die Klinik fuhren, habe ich mir zum Entspannen meine Playlist angemacht. Durch meine erste Geburt wusste ich, wie intensiv Wellen sein können. Ich freute mich, dass es bis dahin noch nicht die volle Kraft war. In der Klinik angekommen, wurde direkt ein CTG geschrieben. Die Wellen waren zu sehen, aber doch sehr unregelmäßig. Bei der Untersuchung war der Muttermund drei Zentimeter geöffnet. Es war mitten in der Nacht. Ich hätte auf ein Zimmer mit einer frisch gebackenen Mama gedurft. Mein Mann hätte jedoch auf dem Flur warten müssen. Also blieben wir zusammen auf dem Flur sitzen. Ich brauchte ihn bei mir und fühlte mich so wohler.
Um 04:00 Uhr entschieden wir uns dann dazu, draußen spazieren zu gehen. Wir liefen und liefen und liefen. Die Wellen blieben im gleichen Abstand. Zwischendurch sprach ich mit einer der Hebammen und wir einigten uns darauf, dass wir gegen Mittag nochmal ein CTG machen und ich untersucht werde. Bis dahin gingen wir fast durchgehend spazieren. Die Wellen waren gleichbleibend und wurden nicht intensiver. Aber sie waren da.
Ich merkte wie ich unsicher wurde. Es müsste doch jetzt schon so viel mehr zu spüren sein. Warum passiert jetzt nichts mehr? Ich unterbrach meine Gedanken mit einem lauten STOPP! Stattdessen sagte ich mir immer wieder „es ist alles gut und mein Baby kommt, wenn es bereit ist“.
Es war Mittag. Das CTG war gleichbleibend – alle sieben Minuten Wellen. Ich wurde untersucht. Der Muttermund hat weiterhin drei Zentimeter. Puh. Ich war irgendwie enttäuscht. Ich habe doch seit 14 Stunden Wellen. Gemeinsam mit der Hebamme und der Oberärztin entschieden wir uns dazu, nochmal nach Hause zu fahren. Ich weinte im Auto und brauchte einen kurzen Moment, meine Emotionen wieder zu sortieren.
Ich spürte in mich hinein. Ging kurz in mich. Nahm mir diesen kurzen Moment. Mir ging es gut. Ich spürte im Inneren ein Kribbeln. Es geht mir gut. Es geht meinem Baby gut. Ich war beruhigt.
Ich konnte mich schon immer auf mein Bauchgefühl verlassen. Ich hatte mich emotional wieder gefangen und gewann mein positives Mindset zurück.
Zuhause angekommen kuschelte ich meine Tochter. Wir erklärten ihr, dass ihr Bruder noch einen Moment Zeit in meinem Bauch braucht. Ich wollte eigentlich duschen gehen, aber war so unfassbar müde und entschloss mich, doch erst im Bett etwas zu schlafen. Ich nahm mir meine Kopfhörer um noch eine Hypnose zum Anhören. Die Wellen waren weiterhin da.
Als ich im Bett lag und der Hypnose lauschte, machte es „Plopp“. Was war DAS?! Dann wurde es warm an meinen Oberschenkeln. Und dann war da dieses Feuerwerk in mir.
Ich empfand pure Freude. Ich fühlte so viel Glück und Liebe. Es geht los.
Jetzt geht es doch wirklich los. Die Fruchtblase ist aufgegangen. Mein Körper brauchte einfach nochmal meinen Wohlfühlort, mein Zuhause, um loslassen zu können.
Ich stand aus dem Bett auf und die Wellen kamen von da an mit voller Intensität alle zwei Minuten. Wow. Ich war überwältigt. Es war so intensiv, dass ich versuchte, mit aller Macht in meiner Kraft zu bleiben. Es erwarteten mich 25 Minuten Autofahrt zurück in die Klinik. Als ich im Auto saß, kamen die Wellen jede Minute.
„Jede Welle bringt mich näher zu meinem Kind“ – ich sagte diesen Satz mit jeder Welle. Immer und immer wieder.
Ich schloss meine Augen und begann mit den Wellen zu tönen. Ich brauchte das und es half mir sehr. Es war 15:00 Uhr. Die Klinik war voll. Der Fahrstuhl kam nicht. Ich stand in der großen Klinikhalle und tönte in ordentlicher Lautstärke meine Wellen. Und wisst ihr was? Ich war stolz. Ich war in dem Moment so stolz, mich so sehr auf mich fokussieren zu können. Ich war so sehr bei mir, dass ich das Außen kaum wahrgenommen habe. Wir gingen direkt in den Kreißsaal. Mein Muttermund war sechs Zentimeter geöffnet. Mein Mann öffnete für mich das Fenster. Ich brauchte frische, kühle Luft.
„Jede Welle bringt mich näher zu meinem Kind“. Immer und immer wieder sagte ich diesen Satz zu mir. Mein Mann machte mir meine Playlist an.
Ich forderte mir sehr schnell Lachgas ein. Die Wellen waren so intensiv und bei meiner ersten Geburt hat mir Lachgas sehr geholfen. Auch diesmal wurde die intensive Spitze der Welle etwas milder.
Tief im Inneren war ich so ruhig. Ich stellte mir ein Boot auf einem völlig ruhigen See vor. Da war ich. In meiner Kraft. Ich krallte mich bei jeder Welle in die Hand meines Mannes und lehnte mich an ihn. Zu dem Zeitpunkt stand ich noch und kreiste immer wieder mein Becken.
Die Hebamme sagte „Ihr Sohn wird jetzt geboren“. Wir waren zu dem Zeitpunkt dreißig Minuten im Kreißsaal. Wow. Ich war k.o. An meinen körperlichen Grenzen. Die schlaflose Nacht, die Aufregung, das emotionale Auf und Ab. Aber ich wusste, ich schaffe das. Ich krabbelte auf das Bett und ging in den Vierfüßler. Von da an war es so intensiv. Ich hatte so viele Empfindungen. Aber ich konnte mitmachen. Ich brachte jetzt meinen Sohn auf die Welt.
Ich bin kraftvoll, ich schaffe das. Der Kopf war geboren. Die Wellen waren so stark. Aber ich ließ sie zu. In ihrer vollen Kraft. Ich habe sie bis zur obersten Spitze kommen lassen und angenommen.
Plötzlich stand neben mir die Oberärztin. Es wurde irgendwie hektisch. Ich wusste nicht was los war. Aber ich vertraute auf mich und das Umfeld in der Klinik. „Sie müssen sich jetzt schnell auf die Seite legen.“ Aber ich wollte doch im Vierfüßler entbinden und meinen Sohn selber hochnehmen. Das war mein einziger Wunsch für die Geburt. Mein Kind das erste Mal selber hochzunehmen und im Arm zu halten. „Sie müssen sich JETZT auf die Seite legen. JETZT.“ Ich drehte mich. War unsicher. Was passiert hier gerade? Ich wurde von einigen Händen nun auf den Rücken gedreht und meine Beine wurden links und rechts an meinen Körper gedrückt und wieder weggezogen. „Die Schulter Ihres Sohnes kann gerade nicht geboren werden.“ Die nächste Welle kam und ich wurde gebeten, so doll ich kann zu pressen. Ich gab alles und presste so aktiv mit, wie ich nur konnte. Und er kam auf die Welt. Es wurde hektisch. Die Nabelschnur sofort durchtrennt. Sie rannten mit ihm raus. Es waren viele Ärzte da. Und dann hörte ich ihn endlich schreien. Sie kamen mit ihm und den gerade angerannten Kinderärzten zurück in den Kreißsaal. Und in dem Moment empfand ich nur noch pures Glück.
Und obwohl ich mir das Ende der Geburt wirklich anders vorgestellt habe, wusste ich, dass es genau so perfekt war. Ich war stolz auf mich. Ich fühlte mich in keinem Moment fremdbestimmt. Denn ich habe meinem Umfeld mein volles Vertrauen geschenkt.
Und so konnte ich loslassen und mich auf mich und mein Baby konzentrieren. Eine Geburt ist so viel mehr, als nur ein Kind zu bekommen. Ich wuchs über mich hinaus und habe es geschafft sie intensiv zu erleben und es zu genießen. Ich kann sagen, dass ich eine wunderschöne Geburt hatte. Genau so, wie sie war.
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