Früheres Trauma, Schwangerschaft und Geburt oder eine Reise zu einem unbekannten Wesen - Ein Gastbeitrag von Isabel Schönig

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Foto & Text Isabel Schönig

Aufgeregt halte ich den positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Es hat geklappt. Völlig unerwartet und so schön. Viele Gefühle rasen durch meinen Körper, von völliger Glückseligkeit bis zu panischer Angst vor dem, was da wohl auf mich zukommen mag.“

Dieses Gefühlschaos kennt wohl fast jede Frau, die das erste Mal geplant schwanger wird. Die ersten Schritte dürfen dann sein, sich dieses Gefühlschaos anzuschauen und zu entwirren: Wo fühlt es sich glücklich an? Welche Aspekte machen Angst und wie lässt sich eine Ebene der Sicherheit aufbauen? Einigen Frauen hilft es, hier eine Hebamme an ihrer Seite zu wissen, denn diese darf bereits ab der Schwangerschaftsfeststellung kontaktiert werden. Wenn du einen anderen Ort als das Krankenhaus als Geburtsort präferierst, wäre es sogar wichtig, die Hebamme so schnell wie möglich zu kontaktieren. Dasselbe gilt natürlich, wenn du dir eine Beleghebamme für die Begleitung im Krankenhaus wünschst.

Eine Hebamme kann ab Beginn der Schwangerschaft für dich da sein. Am besten, du kontaktierst sie direkt, wenn du den positiven Test in der Hand hältst.

Du kannst sie über persönliche Empfehlung im  Freundes- und Bekanntenkreis, die Landesverbände der Hebammen, gkv-spitzenverband, deine Krankenkasse, Gynäkologen, Kliniken, FBS, frühe Hilfen und weitere finden.


Zum ersten Termin mit der Hebamme sind mein Mann und ich gemeinsam gefahren. Ich habe mir eine Hebamme aus dem Geburtshaus ausgesucht. Ich hätte gerne zu Hause entbunden, doch traten neben dem Gefühlschaos auch viele Unsicherheiten auf. Was, wenn ich nicht gebären kann? Ich wollte im Notfall keinesfalls in das Krankenhaus vor Ort verlegt werden. Was passiert bei unserem ersten Gespräch? Wie läuft das alles ab? Kann sie sehen, dass ich früher negative Erfahrungen gemacht habe? Kann sie sehen, dass ich sexuelle Gewalterfahrungen machen musste? Tränen brachen sich ihre Bahn.

Natürlich kann niemand an der Nasenspitze sehen, welche Erfahrungen wir in unserer Kindheit und während des Aufwachsens machen mussten oder auch im positiven Sinne machen durften. Manches kann über Körpersprache erahnt werden, jedoch darf in einem so wichtigen Lebensabschnitt auch deutlich gesprochen werden. Du darfst hier auch gut schauen, ob eine Zusammenarbeit überhaupt möglich ist. Ihr seid am Anfang einer Reise, die dich verändern kann. Damit dich die Hebamme gut begleiten und auch traumasensibel auf dich eingehen kann (wobei das oft eine Einstellungssache ist und jeder Frau zugutekommt).  Du darfst dich gut auf das Gespräch vorbereiten und überlegen, welche Aspekte du wie mitteilen magst. Du brauchst hier nicht ins Detail gehen. Es reicht, wenn du die Erfahrung als solche erwähnst. Eine gute Hebamme wird sich darauf einstellen können.

Jemanden weiteren ins Boot holen, kann so wichtig sein: Eine Therapeutin, die bei der Auflösung von möglichen Triggern Unterstützung bietet und dich dabei begleitet, immer wieder gut mit dir selbst umzugehen. Wie du deine erarbeiteten Notfallunterstützungen auf die Schwangerschaft und vor allem auch auf die Geburtssituation übertragen kannst und wie du selbst Klarheit über deine Vorstellungen von Geburt bekommst.

Es gibt verschiedene Menschen, die du dir an die Seite holen kannst, um die Geburt zu erleben, die du möchtest: Eine Therapeutin, die dich im Bereich der Traumatherapie unterstützt, eine Körpertherapeutin, jemanden der mit dir deine Ressourcen nochmal herausarbeitet, eine Doula, die dich während der Geburt begleitet, eine Beleghebamme, eine Hausgeburtshebamme… deinen Partner, eine Freundin…

Im Laufe der Begleitung durch die Hebamme wurde immer mehr klar, welche Trigger durch die Schwangerschaft und Geburt angesprochen werden. Ich dachte, ich hätte diese gut bearbeitet und wäre damit durch. Diese besondere Zeit hat mir gezeigt, dass ich da nochmal genauer hinschauen darf. Dass ich nochmal meine Ängste in den Blick nehmen darf. So haben meine Hebamme und ich gemeinsam bei einer Körpertherapeutin Termine besucht. Hierbei haben wir meinen Geburtsplan besprochen und geschaut, was wäre wenn…

Gerade für eine Geburt im Krankenhaus kann es wichtig sein, deine Wünsche für den Umgang mit dir aufzuschreiben. Es kann entlastend sein, darum zu bitten, dass das Personal anklopft beim Betreten des Kreißsaals, dass sich neue Mitarbeiter vorstellen und dass du gefragt wirst, bevor man dich anfasst. So Grundlegend und banal. So selbstverständlich und manchmal so wichtig, das zu benennen.

Immer wieder kam bei mir die Angst hoch, während der Geburt zu dissoziieren und so war es gut, dass ich wusste, dass die Hebamme weiß, wie sie mich in einer solchen Situation ansprechen kann und ich mich und die Hebamme gut auf meine besonderen Bedürfnisse vorbereitet hatte.



Fast jede 7. Frau in Deutschland ist von sexueller Gewalt betroffen.

13% der in Deutschland lebenden Frauen haben seit ihrem 16. Lj. Sexuelle Gewalt erlebt.

25% der in Deutschland lebenden Frauen ist körperliche oder sexuelle Gewalt (oder beides) durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner widerfahren.

Terre des Femmes

Gespräche über frühere Verletzungen fallen schwer und sind für die Zeit der Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett so wichtig, damit jede Frau die Geburt erleben darf, die sie sich wünscht und die Begleitung bekommt, die sie braucht. Damit kann die Geburt ein Schritt auf dem Weg zur Heilung sein und einer Retraumatisierung vorgebeugt werden.

 

Über Isabel Schönig

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Isabel Schönig

Isabel ist Begleiterin durch die Zeit der Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und erste Zeit mit Baby. Ihr ist es wichtig, Frauen zu stärken, die sexuelle Gewalterfahrung gemacht haben, die Geburt zu erleben, die sie sich wünschen und auf traumasensible Begleitung zu achten. Sie unterstützt betroffene Frauen auf ihre Trigger zu schauen und sich selbst ernst zu nehmen.

Isabel hat Soziale Arbeit studiert und möchte mit ihrer Arbeit einen Baustein setzen, die transgenerationale Weitergabe von Trauma zu beenden. Sie bietet Einzelcoachings, Workshops und Kurse für Frauen an, um sich intensiv mit den Wünschen und Bedürfnissen auf der Reise zu ihrem Baby zu beschäftigen. Isabel hat zwei Töchter, sie hat eine 2015 im Geburtshaus und eine 2017 zu Hause geboren.

Foto by Katherine Zimmermann von Villa Kalimba


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Dieser Blogpost ist eine persönliche, unbezahlte Empfehlung.

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Geburtsbericht - geplanter Kaiserschnitt durch Beckenendlage, 25.05.2020 von Svenja

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Hanna Drechsler, systemischer Coach, steht dafür ein, dass Frauen und Mütter in ihrer Selbstfürsorge gestärkt werden und ihre individuelle Vereinbarkeitslösung finden. - Community Vorstellung